Crowdbutching – erst verkaufen, dann schlachten!

Hinrich Carstensen und Lina-Louisa Kypke haben EinStückLand gegründet und verkaufen online hochwertiges, regionales Fleisch von Rindern und Schweinen aus Schleswig-Holstein, die erst geschlachtet werden, wenn das ganze Tier verkauft ist.

Fotos: Hinrich Carstensen / EinStückLand

Ihr seid ein junges Paar und habt lange Zeit in Hamburg gewohnt – wie kommen zwei Stadtmenschen dazu, aufs Land zu ziehen und die regionale Landwirtschaft aufzumischen?

Lina hat als Kind viel Zeit hier verbracht und ich komme gebürtig aus Schleswig-Holstein. Irgendwie war die Großstadt nichts mehr für uns. Sie verändert sich. Mehr und mehr Menschen ziehen dort hin, es sind immer mehr Autos auf den Straßen und die Atmosphäre ist nicht mehr so wie vor einigen Jahren. Jedenfalls nicht mehr für uns.

Meine Eltern halten seit meiner Kindheit selbst auch Galloway-Rinder. Eines Tages fragte mich dann mein Vater, ob ich ihm nicht ein Tier abkaufen und in Hamburg vermarkten wollte. Der Grund war, dass meine Eltern auf dem Dorf nicht mehr so viel vermarkten konnten, wie sie Tiere hatten. Meine Idee war zunächst, Salami zu produzieren und zu vermarkten. Lina war dann der treibende Faktor für den Verkauf von Frischfleisch. Für ein einziges Rind ist der Aufwand aber zu groß, deshalb haben wir den Kontakt zu kleinen landwirtschaftlichen Betrieben gesucht, die genauso tolle Arbeit leisten wie meine Eltern. Denn häufig haben diese Landwirte neben der Zucht keine Zeit, die Tiere zu vermarkten. So fing das Ganze an.

Die Stadt vermissen wir nicht, wir fühlen uns hier sehr wohl. Außerdem fahren wir nur 40 Minuten nach Hamburg. Das ist noch eine gute Entfernung, um vorbeizuschauen. Außerdem haben wir all unsere Geschäftspartner*innen hier in Schleswig-Holstein – der Rest passiert vor allem digital.

Wie würdest du eure Philosophie beschreiben?

Wir halten die Entwicklung des Fleischkonsums, die Massentierhaltung, das Preisdumping und gleichzeitig die Etablierung von unterschiedlichsten Bio-Siegeln für sehr kritisch. Wir verteufeln niemanden, der Fleisch beim Discounter kauft, wir kaufen dort selbst noch ab und zu ein. Wir wollen aber die Menschen dazu bringen, beim Einkauf ein bisschen darüber nachzudenken, was sie einkaufen und woher das jeweilige Lebensmittel eigentlich kommt. Deshalb wenden wir uns auch fast ausschließlich an Endkund*innen und vermarkten über unseren Online-Shop qualitativ hochwertiges Fleisch von Tieren aus kleinen schleswig-holsteinischen Betrieben.

Bis vor wenigen Wochen haben wir nur das Fleisch von Galloway-Rindern verkauft. Inzwischen haben wir auch andere Rinderrassen und Schweine – die Rasse Bunte Bentheimer – ins Sortiment aufgenommen. Bald kommt auch noch Geflügel hinzu. Im Mittelpunkt unserer Philosophie stehen die artgerechte Haltung und der respektvolle Umgang mit den Tieren und den Menschen. Wir arbeiten deshalb nur mit Landwirt*innen zusammen, die diese Philosophie teilen und artgerechte Tierhaltung garantieren. Wir kennen die Landwirt*innen alle persönlich und besuchen sie und die Tiere regelmäßig.

Und im Kern dessen steht wiederum das sogenannte Crowdbutching-Konzept. Das heißt, dass das Fleisch erst dann zur Verfügung steht, wenn das Tier zu 100 Prozent vermarktet ist und geschlachtet werden kann. Da es nahezu unmöglich ist, das Fleischgewicht vom lebendigen Tier abzuschätzen, haben wir als Ergänzung zum Online-Shop unseren Hofladen „Deine Speisekammer“ in Kayhude eröffnet, wo wir Teilstücke verkaufen, die nicht in den Fleischpaketen landen.

Woher kommt der Fokus auf Rindfleisch?

Ich bin wie gesagt selbst mit Galloway-Rindern aufgewachsen. Sie sind außerdem sehr robust und fühlen sich hier im Norden besonders wohl. Das liegt wahrscheinlich am Klima. Das Fleisch von Galloway Rindern ist außerdem sehr hochwertig und nicht jeder hat die Möglichkeit, dieses Fleisch zu bekommen.

Der Fokus hat sich jetzt aber langsam verlegt. Anfangs war es schwieriger, Betriebe zu finden, die Schweine und Geflügel unseren Ansprüchen entsprechend halten. Denn je kleiner das Tier, desto schlechter sind häufig die Haltungsbedingungen. Erst vor kurzem wurden wir von einem Landwirt angeschrieben, der Schweine hält und mit dem wir nun zusammenarbeiten. Beim Geflügel war es ähnlich: Nur durch Zufall haben wir einen Landwirt gefunden, der den Betrieb von seinem Vater übernommen hat und Geflügel hält. Dort werden die Tiere noch vom Landwirt persönlich betäubt und geschlachtet. Dadurch gehen wir sicher, dass alles in guten Händen ist. Genau solche Betriebe suchen wir und wollen wir mit EinStückLand unterstützen. 

Ihr versprecht euren Kunden nicht nur hochwertiges Fleisch, sondern auch volle Transparenz. Wie schafft ihr diese Transparenz?

Wenn online ein Tier zum Verkauf steht, kann man schon im Shop die Ohrmarke mit Herkunft, Alter, Geschlecht, Gesundheitsgeschichte und Stammbaum bekommen. Nach dem Kauf halten wir jede*n einzelne*n Kund*in mit regelmäßigen E-Mails über den gesamten Prozess der Vermarktung ihres Tieres bis hin zu den Lieferdetails auf dem aktuellen Stand. Und auch auf der Verpackung, die dann bei den Kund*innen landet, sehen sie die Marke des Tiers. Außerdem sind Lina und ich immer per E-Mail erreichbar und beantworten gerne die Fragen, die ein*e Kund*in hat. Das ist gerade bei unserem Konzept ein sehr wichtiger Punkt.

Der Fleischkonsum wird oft noch immer über den Preis bestimmt. Wie schwer ist es, vom Verkauf von qualitativem, aber eben teurerem Fleisch zu leben?

Für Landwirt*innen ist es inzwischen fast unmöglich. Sie können bei weitem nicht so viel Zeit und Arbeit in die Vermarktung investieren wie wir und es ist auch nicht so einfach, an die Konsument*innen ranzukommen, die den höheren Preis bezahlen wollen. Der Diskurs um Fleischkonsum und Massentierhaltung in Deutschland wird zwar immer stärker geführt, aber der regionale Fleischverkauf aus artgerechter Tierhaltung ist noch immer eine Nische.

Wir selbst hatten das Glück, dass wir seit Tag 1 diverse TV-Formate besuchen konnten. Gerade auch der NDR hat uns da viel Reichweite gegeben. Außerdem konnten wir mit unserem Konzept bei „Die Höhle der Löwen“ auftreten und hatten dort auch schnell eine große Reichweite. Das ging natürlich auch mit einem Risiko und mit einigen vertraglich nicht verhandelbaren Punkten einher, aber im Großen und Ganzen war es für uns ein Erfolg.

Wie sehen eure Pläne für EinStückLand aus? Wollt ihr irgendwann auch selber Rinder halten?

Wir wohnen inzwischen auf einem alten Hof mit einigen Flächen und hätten schon große Lust darauf, eine Rinderzucht aufzuziehen. Vorerst lassen wir das aber lieber die Profis machen. Wir wollen in diesem Jahr zunächst unser Schweinefleisch und das Geflügel im Markt etablieren und weiter unsere Internetseite ausbauen. Bald gibt es vielleicht auch die Möglichkeit, digital in unserem Hofladen einzukaufen. Denn wir arbeiten bereits mit einem tollen Start-up zusammen, das beispielsweise Gemüsebrotaufstriche herstellt. Eine tolle Ergänzung zu unserem Sortiment. Ansonsten haben wir noch viele Ideen, die wir aber lieber erst einmal für uns behalten.

Online-Shop über einstückland.de

Öffnungszeiten „Deine Speisekammer”: Do 16-19 Uhr, Fr 9-12 Uhr
Segeberger Str. 121, 23863 Kayhude
deinespeisekammer.de

Das Interview ist erstmals am 19. Juni 2019 auf dem WOCHENENDER-Blog erschienen.

MenschenElisabeth Frenz