Das Rätsel um das Tiny House. Kleines Häuschen, große Fragen

WOCHENENDER-Verlegerin Eli Frenz hat ein Tiny House in Travemünde gemietet. Aber ist ihr das nicht zu klein? Lest, was sie selbst empfindet – nach den ersten „Nutzungen“ am Beginn eines dreimonatigen Tests, über den hier noch öfter zu lesen sein wird.

 

Wir haben ein Tiny House gemietet!

Wir, nun ja. Also, ich habe es gemietet, und für meinen Freund ist es „okay“. Die großen „Kinder“ finden´s „cool“. Seit drei Jahren schwärme ich von einem Tiny House, nun habe ich eines … und jetzt? Was soll ich da eigentlich machen? Auf 24 Quadratmetern? Wo gerade Platz für zwei Menschen ist? Und eine Küche im Camping-Format? Wo ich auf den ersten Blick mal alles nicht machen kann, was ich sonst gerne mache: Mit meinen Kindern zusammen sein. Ordentlich Kochen. Arbeiten im Team und die A3-grossen-Ausdrucke der WOCHENENDER-Seiten in einer 5 Meter langen Reihe auf den Boden legen. Drei Fragezeichen.

„Tiny“ ist eigentlich nicht so meine Welt. Ich wohne in Hamburg in einem Haus mit 240 Quadratmetern. 240 Quadratmeter, die mir unheimlich viel Arbeit machen – aber der Platz,  den ich da habe, und die Möglichkeiten, die sich damit verbinden - das ist meine Freiheit. Und die ist  mir unheimlich viel wert.

Und jetzt – die Freiheit auf 24 Quadratmetern. Das totale Anti-Programm. Was erwarte ich mir eigentlich davon? Warum fasziniert mich die Idee des Tiny Houses so sehr? Die in ziemlichem Widerspruch zu allem steht, was bisher so mein Leben war. Die Psychologie würde meinen Tiny-House-Wunsch wahrscheinlich aus einem bisher nicht recht eingestandenen Wunsch nach Rückzug deuten. Ich wollte immer ein Haus voller Gäste – und jetzt suche ich mir eines, in das garantiert keine Gäste hineinpassen! Eine Familie mit vielen Kindern, aber die müssen jetzt in Hamburg bleiben.

Okay, es ist ein Experiment. 

Für das Aussteigen auf Zeit oder in kleinen Etappen. Immer wieder mal ein kurzer Break, das kann klassisch ein ganzes Wochenende sein, aber warum nicht auch mal Dienstag, Mittwoch? Oder auch mal zum Arbeiten, W-LAN soll gut sein. Nah der Stadt und maximal unkompliziert. Weil eh kein Platz ist, kann man auch fast nichts mitnehmen, und wenn man wieder fährt, ist so gut wie nichts aufzuräumen. Das fühlt sich schon mal gut an im Vergleich zu unserer alten Ferienwohnung, in die wir immer den halben Hausstand übersiedelt haben, und wo wir am Sonntag vor der Heimfahrt nur geputzt haben.

Ein Experiment für drei Monate. So lange habe ich das Tiny House „Liden-Lundt“ in Travemünde jetzt mal fest. Es steht mitten unter Schafen auf dem Riesengelände des Ferienhofs Evershof in Travemünde. Es ist ein Prototyp, den Tillman Liden, der selber vom Evershof stammt, in liebevoller Handarbeit mit seiner Firma Liden & Lundt auf der Basis eines alten Bauwagens (mit mächtigen Rädern, die dem Tiny House seine Höhe geben) errichtet hat.

Alles herrliches Holz, innen geweißte Kiefer, ein Wohnraum mit Kochzeile, eine abtrennbare Schlafkoje, ein winziges Bad mit Ökotoilette – und ein gusseiserner Holzofen, von dem man gleich sicher ist, dass man ihn gut brauchen kann. Tilmann ist gelernter Tischler und hat viele Ideen im Kopf, wie man hier in der Gegend hier noch etwas bewegen kann. Eine sind die Tiny Houses zum Vermieten, eine andere ein Klettergarten ein paar Kilometer weiter, den er gerade eröffnet hat.

Klingt gut alles.

Aber will ich das Experiment wirklich alleine durchziehen? Was soll dabei schon groß herauskommen? Und alleine übernachten, die Nächte im Stockdunkel hier. Also frage ich doch meinen Freund. Aber fahre schon mal alleine vor. Kaufe ein, richte die Mini-Küche ein, viel passt ja nicht rein.  Alles geht hier dreimal so schnell wie im wirklichen Leben. Und  - Achtung, Tiny-House-Effekt! - kaum, dass ich angekommen bin, habe ich schon ZEIT, ärgere mich, dass ich nicht genug zum Lesen dabei habe. Schaue aber auch auf die Uhr, wann mein Freund kommt.

Nach einer nervigen Bahnfahrt (Zugausfälle!)  bringt er voll den Stress aus der Stadt mit. Ich habe das Gefühl, wie schön es hier ist, nimmt er gar nicht wahr. Als ich ihn für den wirklich geilen Sonnenuntergang an der Seebrücke Niendorf gewinnen will, sagt er nur, wenn das W-LAN hier schon so gut ist, könnten wir doch auch im Bett eine Serie gucken. Er hätte da ein paar Ideen.

Fortsetzung folgt