Weihnachtsgeschenke: Eine kleine Geschichte des Schenkens

Bald geht sie wieder los, die Suche nach dem richtigen Geschenk. Doch warum beschenken wir uns eigentlich? Schenken ist eine uralte Tradition – von religiösem Ritual über politische Geste hin zum selbstlosen und lustvollen Akt.

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Die Geschichte ist eine der berühmtesten der Welt: Vor mehr als 2.000 Jahren kam ein Kind auf die Welt, seine Geburt und sein Tod wurden vielerorts als Gottesgeschenk interpretiert. Manche behaupten sogar, dass mit diesem Kind erst das Schenken in die Welt kam. In Wirklichkeit sind Geschenke aber wohl so alt wie die Menschheit selbst.   

Es gibt mehrere Ursprungstheorien für das Schenken: von religiösen Ritualen über politische Gesten hin zum individuellen sozialen Akt. Die berühmteste wissenschaftliche Abhandlung zum Thema stammt vom französischen Soziologen und Ethnologen Marcel Mauss, der 1923 den Begriff der Schenkökonomie geprägt hat. Der Begriff beschreibt eine Art Vertrauensvorschuss: Wenn man etwas gibt, vertraut man darauf, vom Gegenüber auch etwas zurückzubekommen. Schenken also als soziales Tauschgeschäft, als Prinzip der Wechseltätigkeit oder eine Art Vertrag, der in die Zukunft reicht. Ganz gemäß der lateinischen Redensart: Do ut Des. Ich gebe, damit du gibst.

Die Kunst des Schenkens

Kleine Geschenke
erhalten die Freundschaft.
— Sprichwort

Ich gebe etwas und bekomme etwas – das spricht keiner aus, ist aber soziale Konvention. In den archaischen Gesellschaften, die Mauss untersuchte, war das Geschenk Geste der Gastfreundschaft und eine konkrete Verteiltradition, die Frieden stiftet. Berühmt dafür ist der Potlatsch – ein Fest der indigenen Bevölkerung Nordamerikas. Aus dem ursprünglich friedlichen Güterverteilungsfest wurde im 19. Jahrhundert allerdings immer mehr ein irrwitziger Schenkwettstreit, bei dem durch Zurschaustellung des eigenen Reichtums der soziale Rang gesichert wurde.

Auch die Homerischen Gesänge berichten von geschenkereichen Trinkgelagen der Reichen und Adligen, die sich gegenseitig immer mehr überboten. Der deutsche Sprachwissenschaftler Jacob Grimm ging so auch davon aus, dass das Wort schenken im Althochdeutschen schief halten, eingießen bedeutet und dass der Begriff aus dem Einschenken eines Getränks herrührt. Tatsächlich durften Griechen und später Römer nach dem Fest sogar den kostbaren Becher mitnehmen, aus dem sie getrunken hatten.

Geschenke, glaube mir,
erobern Menschen wie Götter.
— Ovid, röm. Epiker

Schenken ist sozialer Kitt

Aristoteles und Cicero reflektieren in ihren Schriften die ars donandi – die Kunst des Schenkens – und sagen: Mit Gaben wird im Kleinen wie im Großen Politik betrieben. Es werden freundschaftliche und strategische Allianzen besiegelt und aufrechterhalten.  Diese Aspekte der Schenkökonomie zeigen sich auch im religiösen Kontext. Ein wichtiger Ritus in vielen Religionen und Glaubensgemeinschaften ist seit jeher die Opfergabe. Mit den Gaben versucht man die Götter gnädig zu stimmen. Dieses Tauschgeschäft ging oft über das irdische Leben hinaus, denn mit guten Gaben und Taten wollte man sich auch den Weg ins Paradies eben. Irdisches für Ewiges, heißt es etwa bei den Christi:innen. „Was immer du auf Erden verschenkst, es wird dich in den Himmel begleiten“, heißt es im Koran. 

Heute sind sich viele Soziolog:innen einig: Geben und Nehmen ist nach wie vor eine soziale Handlung und unabdingbar für eine funktionierende Gesellschaft. Der Tausch ist Grundlage unserer Kultur. Schenken ist sozialer Kitt. Das bedeutet aber nicht, dass Schenken immer berechnend sein muss. Schenken kann auch etwas Selbstloses sein, etwas zutiefst Menschliches und nicht zuletzt – etwas sehr Sinnliches und Lustvolles. 

WissenElisabeth Frenz